Neue Züchtungsmethoden für Pflanzen

Vor mehr als 10'000 Jahren begann der Mensch, Wildpflanzen zu domestizieren. Seitdem z¨¹chten wir Kulturpflanzen, um sie resistenter zu machen und Ertr?ge zu steigern. Neue Methoden erlauben es nun, das Erbgut pr?zise zu ver?ndern. Das wirft Fragen auf, die gesellschaftlich diskutiert und entschieden werden m¨¹ssen.

Vergr?sserte Ansicht: Roggen. (Bild: Pixabay)
Roggen. (Bild: Pixabay)

Die Weizenernte im Kanton Z¨¹rich fiel dieses Jahr schlecht aus ¨C die Ernteausf?lle bewegten sich zwischen 20 bis 40 Prozent [1]. Grund daf¨¹r sind die nassen Monate Mai und Juni, welche das Pilzwachstum beg¨¹nstigten. Der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln ist nur beschr?nkt m?glich. Um den eigenen Bedarf zu decken, muss die Schweiz daher in diesem Jahr vermutlich mehr Weizen aus anderen L?ndern einkaufen als in fr¨¹heren Jahren.

Das Beispiel zeigt im Kleinen, welche Herausforderungen auf die globale Landwirtschaft zukommen: Bev?lkerungswachstum, steigender Nahrungsmittelbedarf, begrenztes Ackerland und Klimawandel. Rund 90 Prozent der weltweiten Nahrungsmittel- und Tierfutterproduktion werden durch den Anbau von nur zehn Kulturpflanzen abgedeckt. Getreide wie Reis, Weizen und Mais stehen dabei an vorderster Stelle. Sollte es beim Anbau unserer Kulturpflanzen zu unvorhergesehenen Sch?dlingsbefall oder D¨¹rre kommen, k?nnen Hungersn?te die Folge sein.

Bedarf an widerstandsf?higen Sorten

Um die Weltern?hrung k¨¹nftig sicher zu stellen, braucht es neue Pflanzensorten, die auch unter sich ?ndernden klimatischen Bedingungen hohe Ertr?ge liefern und weniger Pflanzenschutzmittel brauchen. Eine bedeutende Alternative zum chemischen Pflanzenschutz ist, die Resistenz der Pflanzen gegen¨¹ber Sch?dlingen und Krankheiten zu erh?hen. Dabei nutzen die Z¨¹chter eine vielf?ltige Palette von pflanzlichen Abwehr- und Resistenzmechanismen, welche die Pflanzen ¨¹ber Millionen von Jahren der Ko-Evolution mit Schadorganismen entwickelt haben. Verbesserte Resistenzeigenschaften k?nnen sowohl ¨¹ber die herk?mmliche Merkmals- oder Genom-basierte Z¨¹chtung als auch ¨¹ber Gentechnik erreicht werden. Die Verbesserungen sind allerdings durch die Eigenschaften der Sorten beschr?nkt, die f¨¹r die Z¨¹chtung zur Verf¨¹gung stehen.

Gezielte Genomver?nderung bei Pflanzen

In den letzten Jahren wurden molekularbiologische Methoden entwickelt, mit denen sich das Genom h?herer Organismen gezielt ver?ndern l?sst (sogenannte Genom-Editierung) [2]. Das geschieht, vereinfacht gesagt, mithilfe von zwei Molek¨¹len, die zusammen funktionieren: einem Erkennungsmodul, das den Zielort im Genom genau findet, und einem Enzym, das die DNA am Zielort aufschneidet. ?ber den zelleigenen DNA-Reparaturmechanismus k?nnen dann Sequenzen eingesetzt, ver?ndert oder entfernt werden. Das Anwendungsspektrum reicht von einzelnen Zellen bis zu kompletten Organismen, und von Grundlagenforschung ¨¹ber Gentherapie bei Mensch und Tier bis zur Pflanzenz¨¹chtung. Bei letzterer wird es damit m?glich, neue Merkmale effizienter in Kulturpflanzen einzubringen oder Mutationen zielgerichtet zu erzeugen. F¨¹r die Forschung besonders interessant ist die M?glichkeit, bestimmte Gene verl?sslich komplett zu inaktivieren, um beispielsweise ihre Funktion zu bestimmen.

Die Spezifit?t f¨¹r ein bestimmtes Gen, also die Pr?zision des Erkennungsmoduls, leistet jeweils ein bestimmtes Molek¨¹l, das in die Zelle eingebracht wird und die Zielsequenz genau erkennt. Bei den ersten Methoden waren dies sogenannte Zinkfinger- oder TALEN-Proteine, deren Erkennungscode an die gew¨¹nschte DNA-Zielsequenz angepasst werden kann. Gegenw?rtig wird aber der Methode mit dem ungelenken Namen ?CRISPR/Cas? das gr?sste Potenzial zugeschrieben. Es handelt sich dabei um ein sehr einfach zu benutzendes Verfahren, das sich auch f¨¹r die Verbesserung der Resistenzeigenschaften und damit f¨¹r die Ertragssteigerung von Kulturpflanzen eignet.

Vom bakteriellen Abwehrdispositiv zum Z¨¹chtungswerkzeug

Bei CRISPR/Cas wird ein speziell strukturiertes RNA-Molek¨¹l zusammen mit einem Enzym benutzt, um im Genom eine bestimmte Stelle zu erkennen und aufzuschneiden. Bei der anschliessenden zellul?ren Reparatur der Schnittstelle entstehen die gew¨¹nschten Mutationen. CRISPR/Cas arbeitet nat¨¹rlicherweise in Bakterien als Abwehrmechanismus gegen invasive DNA (zum Beispiel von Viren), l?sst sich aber in Zellen aller Organismen anwenden. F¨¹r die Auswahl geeigneter Zielsequenzen stehen verschiedene Computerprogramme und Gendatenbanken zur Verf¨¹gung. So wird es m?glich, unerw¨¹nschte Effekte auf andere Genorte weitgehend zu vermeiden oder geeignete Sequenzen f¨¹r die gleichzeitige Ver?nderung verschiedener Gene zu bestimmen. Die Zahl von unerw¨¹nschten Mutationen in anderen DNA-Sequenzen l?sst sich mit den heute angewandten Methoden gegen Null minimieren.

Kulturpflanzen resistenter machen

(Bild: Pixabay)
Weizenfeld. (Bild: Pixabay)

Die gezielte Genomver?nderung (Mutagenese) bei Pflanzen befindet sich erst in einem Anfangsstadium der anwendungsorientierten Methodenoptimierung. Trotzdem wurden seit 2013 durch Genom-Editierung schon eine Reihe von neuen Merkmalen in Kulturpflanzen (Weizen, Hirse, Mais, Reis, Tomate) erzeugt, die mit klassischen Zucht-Verfahren nur sehr schwer und ¨¹ber einen langen Zeitraum erreichbar w?ren [3]. Insbesondere pflanzliche Genome sind eine besondere Herausforderung, denn viele von ihnen sind polyploid. Das bedeutet, dass sie mehr als zwei Kopien ihres Genoms in sich tragen ¨C beim Weizen, einem Hybrid aus drei Wildsorten, sind es sogar sechs.

?hnlich wie Menschen und Tiere wehren sich auch Pflanzen mit Hilfe einer Art Immunsystem gegen Krankheitserreger wie Pilze, Viren oder Bakterien. In der Regel erkennen spezifische Pflanzenproteine die Krankheitskeime und l?sen eine Verteidigungsstrategie aus. Andererseits nutzen Krankheitserreger auch Proteine des Wirts, um die Infektion effektiv zu machen. Eine erh?hte Resistenz der Pflanzen kann deshalb entweder ¨¹ber die St?rkung der aktiven Abwehr oder ¨¹ber die Entfernung solcher vom Pathogen genutzten Gene erfolgen. Letzteres l?sst sich durch gezielte Punktmutation der entsprechenden Gene mit CRISPR/Cas erreichen. So kann man beispielsweise die Mehltau-Erkrankung beim Weizen verhindern, indem die sechs Kopien des MLO-Gens gleichzeitig ausgeschaltet werden. Das pflanzliche MLO-Gen erleichtert die Infektion von Getreiden durch Mehltaupilze (Blumeria graminis f. sp. Tritici) , da es die pflanzliche Abwehrreaktion reduziert. [4]

Offene Fragen

Das Besondere an CRISPR/Cas ist, dass sich die erzeugten Ver?nderungen im Genom nicht von nat¨¹rlich auftretenden Mutationen in Pflanzen und Tieren unterscheiden. Solche entstehen beispielsweise durch Umwelteinfl¨¹sse auf die Genome, etwa durch nat¨¹rliche radioaktive Strahlung, reaktive Stoffwechselprodukte oder auch durch Fehler bei der Vervielfachung und Vererbung der DNA. Die sogenannte Mutationsz¨¹chtung mit Hilfe von chemischer Behandlung oder Bestrahlung erzielte im 20. Jahrhundert grosse Ertragsgewinne bei unseren Kulturpflanzen. Weltweit gibt es heute etwa 3088 Sorten aus 190 Spezies, die so erzeugt wurden.

Da sich mit CRISPR/Cas ver?nderte Pflanzen nicht von solchen aus herk?mmlichen Z¨¹chtungsverfahren unterscheiden lassen, stellt sich die Frage: Wenn eine neues Z¨¹chtungsverfahren im Genom der betreffenden Art zielgerichtete Ver?nderungen ausl?st, die ¨C mit allerdings wesentlich gr?sserem Aufwand ¨C  konventionelle Z¨¹chtung oder zuf?llige Mutation ebenfalls hervorbringen k?nnen, ist das entstehende Produkt dann als GVO (Genetisch ver?nderter Organismus) oder nicht-GVO zu beurteilen? Die derzeitige Debatte fokussiert sich entsprechend darauf, ob eine Regulierung prozess- oder produktbezogen sein soll.

Auf die Fragen der Risikobeurteilung und Regulierung werden wir in unserem n?chsten Blogbeitrag n?her eingehen.

Lose Serie im Zukunftsblog zu neuen Z¨¹chtungsmethoden f¨¹r Pflanzen

Moderne Verfahren der Molekularbiologie (Stichwort Genom-Editierung) bergen das Potenzial, die Z¨¹chtung von Kulturpflanzen in der Landwirtschaft effizienter zu gestalten. Damit verbunden sind gesellschaftsrelevante Fragen und Herausforderungen ¨C etwa bei der Sicherheitsbeurteilung und Regulierung. Welche Chancen und Risiken die neuen Z¨¹chtungsmethoden er?ffnen, zeigt der Zukunftsblog in einer losen Serie.

Johannes F¨¹tterer hat diesen Beitrag zusammen mit externe SeiteManuela Dahinden, Bruno Studer und Wilhelm Gruissem verfasst.

Weiterf¨¹hrende Informationen

[1] externe SeiteArtikel in der NZZ

[2] Die Akademien der Wissenschaften Schweiz haben ein externe SeiteFaktenblatt zusammengestellt, das eine gute ?bersicht ¨¹ber ausgew?hlte neue Z¨¹chtungsverfahren gibt und die Methoden beschreibt.

[3] Song et al. CRISPR/Cas9: A powerful tool for crop genome editing. The Crop Journal 4 (2), 75-82 (2016) externe Seitehttp://dx.doi.org/10.1016/j.cj.2015.12.002

[4] Wang et al. Simultaneous editing of three homoeoalleles in hexaploid bread wheat confers heritable resistance to powdery mildew. Nature Biotechnol. 32, 947-951 (2014) doi: 10.1038/nbt.2969  

Zum Autor

Johannes Fütterer

Johannes F¨¹tterer

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut f¨¹r Agrarwissenschaften,

ETH Z¨¹rich

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